Eignungsdiagnostik aus Sicht eines Personaldienstleisters

Selber rekrutieren

Sie kennen sicher die Tatsache, dass sich die Bewerbungen dank unzähliger Muster im Internet immer ähnlicher werden. Die Bewerber sind deshalb in der Lage, sich immer besser zu verkaufen. Sofern die Zeit vorhanden ist und Personal- und Linienfachleute abkömmlich sind, können Sie natürlich zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber mit ähnlichen Präsentationen für oft überraschend enttäuschende Gespräche einladen, den Persönlichkeiten "auf den Zahn fühlen" und dann nur die Besten für die Finalrunde/n auswählen.

Oder die Unterstützung von Personaldienstleistern nutzen

Personalberater mit gutem Renommee können sehr viel Mehrwert generieren. Sie sind häufig auf bestimmte Branchen und Berufsfelder spezialisiert, haben eine neutrale Sichtweise und nutzen ihr Netzwerk sowie sämtliche Tools, um insbesondere auch Passivsuchende zu erreichen. Da die Suche und Auswahl der besten Kandidatinnen und Kandidaten das Kerngeschäft der externen Recruiter sind, können sie sich mit mehr Bewerbern treffen und sicherstellen, dass Sie die besten Persönlichkeiten, nicht nur die besten Lebensläufe erhalten. Der erfahrene Personaldienstleister wird Ihnen dann Empfehlungen mit Beschreibungen der Persönlichkeiten abgeben. Sie können beispielsweise lauten:

  • Sie strahlt Seniorität, Vertrauen und eine natürliche Autorität aus. Auch wirkt sie glaubwürdig und verfügt über eine ausgeglichene Wesensart. Zudem scheint sie kontaktfreudig und humorvoll, weshalb sie damit auch andere für sich gewinnen dürfte.
  • Kommt mit Leuten verschiedenster Couleur gut zurecht, hat auch in sehr anspruchsvollen Projekten gute und erfolgreiche Teams gebildet.
  • Seine Art zu kommunizieren ist etwas gewöhnungsbedürftig. Er drückt sich einerseits etwas volkstümlich/bodenständig aus, wechselt die Themen teilweise sprunghaft und ist sehr direkt.
  • Sie untermauert ihre Aussagen mit stichhaltigen Argumenten und anschaulichen Beispielen.
  • Im Erstkontakt wirkt Herr Muster teilweise etwas überkontrolliert/ernsthaft. Einerseits hat sein Self-Marketing dadurch Potenzial, andererseits machen ihn seine selbstkritische Haltung und seine Bescheidenheit auch sehr echt und sympathisch.
  • Dynamische und zugängliche Persönlichkeit, der es mit ihrer gewinnenden Art auf Anhieb gelang, eine positive Atmosphäre zu erzeugen.
  • Mit motivierend lebhafter Kommunikation schafft er eine angenehme Gesprächsbasis und vermittelt einen hohen Grad an Eigenmotivation. " Seine unkomplizierte und freundliche Lebensart kann sehr bereichernd für das neue Unternehmen sein. Seine Antennen sind stets auf Empfang ausgerichtet.

Der Personalberater gibt seine Einschätzung zur Persönlichkeit eines Bewerbers ab. Die Beurteilung beruht auf einem ausführlichen Interview mit vertieften Rückfragen und zahlreichen Beispielen. Die Persönlichkeit beschreibt bestimmte Eigenschaften, die die Umwelt wahrnehmen kann und auf die sie reagiert. Sie beinhaltet aber auch die Merkmale einer Person, die sich eher im Verborgenen abspielen und die bei der Rekrutierung oft unentdeckt bleiben. Hinweise darauf liefern meistens feine Unterschiede zwischen dem verbalen und nonverbalen Verhalten, d.h. Aussagen sind nicht kongruent mit der Körpersprache. Dies kann sich offensichtlich in der Haltung ausdrücken, sich aber auch nur durch feine Abweichungen in der Stimme bemerkbar machen. Das ist der Moment, in welchem der versierte Recruiter zusätzliche Evaluationswerkzeuge wie Eignungstests / Eignungsdiagnostik / Referenzen / Assessment in Betracht zieht. In der Folge wollen wir das Thema Eignungsdiagnostik näher beleuchten.

Auf der Suche nach den Charakterzügen der Persönlichkeit mittels Eignungstests

Der Trimodale Ansatz der Eignungsdiagnostik (Schuler u. Höft, 2007) kombiniert biografie-, eigenschafts- und simulationsorientierte Verfahren. Im biografischen Ansatz werden Verhaltensergebnisse ermittelt und versucht, daraus eine "Vorhersage" abzuleiten. Der biografische Fragebogen, das biografische Interview sowie die Analyse der Bewerbungsunterlagen zählen zu den Verfahren dieses Ansatzes und bieten Aufschluss über die berufliche Vergangenheit des Bewerbers. Bei simulationsorientierten Verfahren soll beispielsweise bei Arbeitsproben, während eines Praktikas oder auch der Probezeit unter ähnlichen Bedingungen das Verhalten möglichst realitätsnah abgebildet werden und der Bewerber einen realistischen Einblick in sein zukünftiges Arbeitsumfeld und seine Aufgaben erhalten. Eigenschaftsorientierte Verfahren erfassen Merkmale, die über die Zeit hinweg grösstenteils stabil sind. Im Rahmen dieser Verfahren werden psychologische Testverfahren wie Intelligenz-, Integritäts- oder Persönlichkeitstest angewandt (Kauffeld, 2014).

Die "Big Five" Persönlichkeitsfaktoren

Für die Entwicklung verschiedener Testverfahren zur Persönlichkeit haben sich in zahlreichen Untersuchungen (z.B. Fiske, 1949; Goldberg, 1990; Norman, 1963; usw.) fünf Persönlichkeitsfaktoren herauskristallisiert. Das populärste Fünf-Faktoren-Modell von Costa und McCrae (1997) beinhaltet die Dimensionen Neurotizismus (Neuroticism), Extraversion (Extraversion), Offenheit für Erfahrungen (Openness to Experience), Verträglichkeit (Agreeableness) und Gewissenhaftigkeit (Conscientiousness). Goldberg (1981) bezeichnet diese als "Big Five". In weiteren Studien konnte die Fünf-Faktoren-Struktur für verschiedene Kulturen und Altergruppen repliziert werden (Costa & McCrae, 1997), als auch eine zeitliche Stabilität aufzeigen (Costa & McCrae, 1989). Die einzelnen Faktoren weisen eine genetische Erblichkeit von 40% bis zu 60% auf (McCrae et al., 2000). Zur Erfassung haben Costa und McCrae den Fragebogen NEO-PI-R (NEO-Persönlichkeitsinventar) konzipiert. Die deutsche Version stammt von Ostendorf & Angleitner, die in ähnlichen Varianten im Netz zu finden ist (http://typentest.de/limesurvey/index.php?sid=88114). Das Fünf-Faktoren-Modell dient oft als Grundlage für andere Persönlichkeitsfragebogen oder als Überprüfung, ob ein anderer Test misst, was er messen sollte.

Ein explizit berufsbezogener Persönlichkeitstest wäre beispielsweise das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung – 6 Faktoren (BIP-6F) von Hossiep u. Krüger (2012). Es werden sechs Persönlichkeitsbereiche unterschieden, Disziplin, Dominanz, Engagement, Kooperation, Sozialkompetenz und Stabilität, die anhand von 18 berufsrelevanten Facetten abgefragt werden. Es besteht ein grosser Zusammenhang zu den Big Five. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, die beim BIP-6F erfasst wird, findet aber keine Entsprechung im Fünf-Faktoren-Modell. Dieser Fragebogen kann nur über die Testzentrale des jeweiligen Landes bestellt werden, damit die Fragen und die Auswertung nicht öffentlich zugänglich sind (https://www.testzentrale.ch/shop/bochumer-inventar-zur-berufsbezogenen-persoenlichkeitsbeschreibung-6-faktoren.html). Wäre dies der Fall, könnten Ergebnisse verfälscht werden.

Mehrwert

Unabhängig davon mit welchem Verfahren gearbeitet wird, resultiert ein umfassendes und detailliertes Bild der Persönlichkeit. Häufig können die Resultate für optimale Vertiefungsfragen in den Endrunden genutzt werden. Das wiederum ermöglicht ein besseres Kennenlernen der Persönlichkeit, was schliesslich für die Auswahl von entscheidender Bedeutung ist.

Einstellung ist das Eine, Halten der besten Fachleute das Andere

Arbeitszufriedenheit ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen, langfristigen Zusammenarbeit. Wichtige Faktoren sind:

  • Spannende Arbeitsinhalte bieten
  • Mitarbeitenden den Raum für neue Ideen geben
  • Wertschätzung vermitteln
  • Begleiten sowie Aus- und Weiterbilden der Mitarbeitenden
  • Aufstiegsmöglichkeiten aufzeigen
  • Ausgewogene Entschädigung
  • Beobachtung der Arbeitszufriedenheit und gegebenenfalls aktives Handeln

Empfehlung für die Arbeitgeber

Sie können als Unternehmen noch so gut sein: Wenn Sie es nicht schaffen, im Markt deutlich zu machen, was das Unternehmen auszeichnet und weshalb Fachleute sich für Sie entscheiden sollen, werden die am besten geeigneten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht auf Sie aufmerksam werden!

Diese Erkenntnis ist Ausgangspunkt meiner täglichen Arbeit. Unabhängig davon, ob wir Personalberater, Personalvermittler, Headhunter oder Personaldienstleister genannt werden, wir unterstützen Sie in alle Fragen der Personalgewinnung. Wir sind kreative, selbstkritisch hinterfragende Mitdenker und Sparringpartner.

Mein Schlüssel zum Erfolg? Transparenz, klare Rekrutierungsprozesse, die Identifikation mit den Auftraggebern sowie hundertprozentige Einsatzbereitschaft.


Literatur

Costa, P. T. Jr. & McCrae, R. R. (1989). Personality continuity and the changes in adult life. In M. Storandt & G. R. Vanden Bos (Eds.), the adult years: Continuity and change (pp. 45- 77). Washington, DC: American Psychological Association.
(http://www.apa.org/pubs/books/4314080.aspx)

Costa, P. T. Jr. & McCrae, R. R. (1997). Stability and change in personality assessment: The revised NEO Personality Inventory in the year 2000. Journal of Personality and Assessment, 68, 86-94.
(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9018844)

Felfe, J. (2009). Mitarbeiterführung. Göttingen: Hogrefe.
(https://goo.gl/RFoQE4)

Fiske, D.W. (1949) Consistency of the factorial structures of personality ratings from different sources. Journal of Abnormal and Social Psychology, 44, 329–344. (http://psycnet.apa.org/record/1950-01070-001)

Goldberg, L. R. (1981). Language and individual differences: The search for universals in personality lexicons. In L. Wheeler (Ed.), Review of personality and social psychology (pp. 141-165). Beverly Hills, CA: Sage.
(http://www.scirp.org/(S(i43dyn45teexjx455qlt3d2q))/reference/ReferencesPapers.aspx?ReferenceID=1905116)

Goldberg, L. R. (1990) An alternative „description of personality“: The Big-Five factor structure. Journal of Personality and Social Psychology, 59, 1216-1229. (http://projects.ori.org/lrg/PDFs_papers/Goldberg.Big-Five-FactorsStructure.JPSP.1990.pdf)

Hossiep, R., & Krüger, C. (2012). Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung – 6 Faktoren (BIP-6F). Göttingen: Hogrefe. (https://www.hogrefe.ch/shop/bochumer-inventar-zur-berufsbezogenen-persoenlichkeitsbeschreibung-6-faktoren.html)

Kauffeld, S. (2014). Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor. Berlin Heidelberg: Springer.
(http://www.springer.com/de/book/9783642420641)

McCrae, R. R., Costa, P. T. Jr., Ostendorf, F., Angleitner, A., H?ebí?ková, M., Avia, M.D., Sanz, J., Sanchez-Bernados, M. L., Kusidl, M. E., Woodfield, R., Saunders, P.R. & Smith, P.B. (2000). Nature over nurture: Temperament, personality, and life span-development. Journal of Personality and Social Psychology, 78, 173-186. (https://pdfs.semanticscholar.org/1588/16d275cc8f5db956dcec2d01c28afbb52693.pdf)

Norman, W. T. (1963). Toward an adequate taxonomy of personality attributes: Replicated factor structure in peer nomination personality ratings. Journal of Abnormal and Social Psychology, 66, 574-583.
(http://psycnet.apa.org/doiLanding?doi=10.1037%2Fh0040291)

Rammsayer, T. & Weber, H. (2016). Differentielle Psychologie – Persönlichkeitstheorien. Göttingen: Hogrefe.
(https://www.lehmanns.ch/shop/geisteswissenschaften/35159905-9783840927171-differentielle-psychologie-persoenlichkeitstheorien)